Reenactments (seit 1998)

Die Fotoserie Reenactments startete G.R.A.M. unter dem Titel „Nach Motiven von …“ im Jahr 1998. Die erste Werkserie bezog sich auf nachgestellte Standbilder aus Slapstick-Filmen von Stan Laurel und Oliver Hardy. In der Folge wurden zahlreiche Geschehnisse, die sich über Fotografien und Filme in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, von G.R.A.M. noch einmal aufgeführt: Von legendären Pressefotos (u.a. vom Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München bis zu den Werken der Wiener Aktionisten, von der Selbstinszenierung von Diktatoren und Wirtschaftsbosse bis zu Schlägereien in internationalen Parlamenten. Zweck des Unterfangens: Die Bilder auf ihre Struktur, ihr elementares Zentrum, nämlich die Geste, zurückzuführen. Gleichzeitig wird der Wirklichkeitsgehalt des Mediums Fotografie hinterfragt. In der Serie Reenactments handelt G.R.A.M. mit Bildern, verändert, verfremdet, vereinfacht diese und bringt sie dadurch in einen neuen Kontext.

Re-produktion als Gewaltenkontrolle
Wolfgang Ullrich

Seit Karl Marx wird geschichtlichen Ereignissen unterstellt, sie fänden zweimal statt, gerieten beim zweiten Mal jedoch zur Farce. Darin drückt sich ein geringschätziges Verständnis von Wiederholung aus: Übrig bleibt nur die platoneske Polemik, wonach Mimesis nie mehr als ein Abklatsch, ein ontologischer Dimensionsverlust, ein letztlich sinnlos-komisches Unterfangen ist. Dass eine Wiederholung als ‚aemulatio‘ konzipiert sein kann und mit der Ambition geschieht, das Vorbild zu überbieten, ja ihm gerade im Gegenteil eine bisher unerkannte Dimension abzugewinnen, bleibt dabei genauso unbeachtet wie die Erfahrung, dass das zweite Mal zu einer Vergegenwärtigung oder Interpretation des ersten Mals führen kann. Wer die Wiederholung nur als Farce wahrnimmt, unterschätzt also die Kräfte, die in ihr zur Entfaltung kommen können. Das aber bedeutet in gewisser Weise auch eine Unterschätzung des Originals, Vorbilds oder ersten Mals: Es besäße wenig Potenzial, wenn es in der Wiederholung nur verlieren könnte. weiterlesen

> nach oben

Hände schütteln, schaufeln, küssen –
Zur künstlerischen Arbeit von G.R.A.M.
Anton Holzer

Ihre Blicke sind starr, die Gesichter ernst. Ein verstörendes Gruppenfoto. In Dreierreihen haben die Männer in einem weiß getünchten Innenraum Aufstellung genommen, jeder von ihnen gut sichtbar ist. Verstörend ist die Aufnahme, denn es handelt sich um keine freiwillige Zusammenkunft. Die Männer wurden vor die Kamera gezwungen und stehen am Pranger. Wenige Tage nach dem Putschversuch in der Türkei am 15./16. Juli 2016 wurden die Schuldigen der Öffentlichkeit präsentiert. Es handelt sich um hohe Militärs, in der ersten Reihe ist Akin Öztürk, der Chef der Luftwaffe, zu sehen. In gestreiftem Polohemd, als sei er gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt. Auch viele andere Männer tragen Freizeithemden und nicht die Uniformen, in denen sie verhaftet wurden. Einige der Männer weisen deutlich sichtbare Spuren von Misshandlungen auf. Sind die Wunden im Gesicht die Folge von Schlägen, haben sich die Männer bei ihrer Gefangennahme gewehrt? Das rechte Ohr von Öztürk ist in eine weiße Bandage gehüllt. Was geschah mit diesen Männern in den Stunden nach ihrer Festnahme? weiterlesen


> nach oben