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Reenactments (seit 1998)
Die Fotoserie Reenactments startete G.R.A.M. unter dem Titel „Nach Motiven von …“ im Jahr 1998. Die erste Werkserie bezog sich auf nachgestellte Standbilder aus Slapstick-Filmen von Stan Laurel und Oliver Hardy. In der Folge wurden zahlreiche Geschehnisse, die sich über Fotografien und Filme in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, von G.R.A.M. noch einmal aufgeführt: Von legendären Pressefotos (u.a. vom Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München bis zu den Werken der Wiener Aktionisten, von der Selbstinszenierung von Diktatoren und Wirtschaftsbosse bis zu Schlägereien in internationalen Parlamenten. Zweck des Unterfangens: Die Bilder auf ihre Struktur, ihr elementares Zentrum, nämlich die Geste, zurückzuführen. Gleichzeitig wird der Wirklichkeitsgehalt des Mediums Fotografie hinterfragt. In der Serie Reenactments handelt G.R.A.M. mit Bildern, verändert, verfremdet, vereinfacht diese und bringt sie dadurch in einen neuen Kontext.
Re-produktion als Gewaltenkontrolle
Wolfgang Ullrich
Seit Karl Marx wird geschichtlichen Ereignissen unterstellt, sie fänden zweimal statt, gerieten beim zweiten Mal jedoch zur Farce. Darin drückt sich ein geringschätziges Verständnis von Wiederholung aus: Übrig bleibt nur die platoneske Polemik, wonach Mimesis nie mehr als ein Abklatsch, ein ontologischer Dimensionsverlust, ein letztlich sinnlos-komisches Unterfangen ist. Dass eine Wiederholung als ‚aemulatio‘ konzipiert sein kann und mit der Ambition geschieht, das Vorbild zu überbieten, ja ihm gerade im Gegenteil eine bisher unerkannte Dimension abzugewinnen, bleibt dabei genauso unbeachtet wie die Erfahrung, dass das zweite Mal zu einer Vergegenwärtigung oder Interpretation des ersten Mals führen kann. Wer die Wiederholung nur als Farce wahrnimmt, unterschätzt also die Kräfte, die in ihr zur Entfaltung kommen können. Das aber bedeutet in gewisser Weise auch eine Unterschätzung des Originals, Vorbilds oder ersten Mals: Es besäße wenig Potenzial, wenn es in der Wiederholung nur verlieren könnte. weiterlesen
So sehr sich in einer überbietenden Wiederholung auch Schwächen des Originals zeigen mögen, so sehr bedeutet also allein der Akt des Wiederholens, dass die Beschäftigung damit als lohnend – als Herausforderung – begriffen wird. Daher liegt es nahe, einer Person oder Epoche, die das Wiederholen pauschal als unproduktiv einschätzt, einen Mangel an Gespür für Potenziale zu attestieren. Oder man diagnostiziert einen ‚horror repetitionis‘, gespeist von dem Ehrgeiz, unbedingt selbst nur Originales und Erstmaliges zu vollbringen. Dieser Ehrgeiz ist typisch für die Moderne, die insgesamt als Periode einer Wiederholungsphobie bezeichnet werden darf. In Technik und Wissenschaft verpflichtete man sich der Idee des Fortschritts, so dass das Wiederholen als Rückschlag erscheinen musste. Und im Bereich der Kunst war das Wiederholen – anders als in den Jahrhunderten davor – sogar so verpönt, als könne daraus nur etwas geistlos Nachäffendes erwachsen. Infolge des Begriffs der Autonomie wurde es zum einzigen Ziel erhoben, mit jedem Werk einen Anfang zu setzen: etwas von bereits Vorhandenem Unabhängiges, Erstes. Offen blieb dabei jedoch, was mit dem Werk seinen Anfang nehmen sollte. Sofern es allen Künstlern zur Maxime gemacht wurde, autonom zu sein, geriet die Moderne vielmehr zu der Epoche, in der vieles zwar begonnen, aber von anderen Künstlern dann nicht weitergeführt wurde. Ohne Akte des Wiederholens verloren jedoch auch die vielen Anfänge ihren Charakter – blieben Verheißungen, die nichts heißen durften. Was nicht Anfang von etwas ist, ist schließlich auch kein Anfang mehr, sondern ein bloßer Versuch.
Das bedeutet nicht, dass die Moderne schwach gewesen wäre. Wenn in ihr keine Praktiken des Wiederholens geübt wurden, dann allein, weil sie von vornherein diskreditiert waren – und nicht weil es nichts zu wiederholen gegeben hätte. Über mehrere Generationen, zumindest während des gesamten 20. Jahrhunderts, hat sich daher, so scheint es, viel aufgestaut. Insofern wirkte die Postmoderne, per definitionem als Phase der Reprisen und Neuauflagen identifiziert, wie eine Befreiung. Plötzlich war nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, dass man als Künstler gelten durfte, selbst wenn man ’nur‘ etwas reproduzierte, das es schon gab. Doch ließ sich das schlechte Gewissen, mit Spielarten des Wiederholens gegen künstlerische Originalitätspflichten zu verstoßen, nicht so schnell überwinden, ja es dauerte, bis Künstler mehr als nur Zitate, Anspielungen und sehr freie Variationen auf bereits Vorhandenes wagten. So wirkte noch länger nach, dass das Wiederholen in der bildenden Kunst – anders als in der Musik oder im Kino – als „tabubruch“ und „sakrileg“ galt, wie die zur Gruppe G.R.A.M. vereinten Künstler in einem Interview im Jahr 2002 feststellten.1
Immerhin aber sind in den Jahren seither etliche Formen des Wiederholens zu registrieren, die unbefangener an alte Traditionen – und zugleich an herkömmliche Formen des Kopierens – anknüpfen und sich als ‚aemulatio‘, als Aktualisierung oder als Interpretation in einem anderen Medium beschreiben lassen. Künstler wie Georg Baselitz nehmen sich ihre eigenen Werke ein zweites Mal vor und kanonisieren sie auf diese Weise, andere wie die Chapman-Brüder, Hiroshi Sugimoto oder Klaus Mosettig übertragen berühmte Vorbilder in andere Medien und wieder andere – etwa Yinka Shonibare oder Tatjana Doll – suchen nach zeitgemäßen und dramatisierten Varianten klassischer Werke.
Die Künstlergruppe G.R.A.M. hingegen, schon lange mit Formen des Wiederholens experimentierend, hat eine Praxis entwickelt, die keine historische Parallele besitzen dürfte. So übersetzen sie Werke etwa des Wiener Aktionismus oder von berühmten Pressefotografien in einen Modus des Slapstick. Wenn Joseph Beuys sich in der Arbeit La Rivoluzione siamo Noi (1972) als paramilitärischer Avantgardist inszeniert, der sogar Assoziationen zu Mussolini und dessen Marsch auf Rom zulässt, ja wenn er sich mit vollem Ernst als Heilsfigur präsentiert, dann wird daraus in der von G.R.A.M. geschaffenen Variante jemand, der eher nach einem etwas schwerfälligen Provinzförster aussieht. Viele kleine Änderungen gegenüber dem Original verwandeln die Szenerie ins harmlos Banale: Von den Bewegungen der Figur, die auf einmal steif und etwas sperrig wirken, bis hin zu den handelsüblichen und vorgartentypischen Gussbetonsteinen, die anstelle von Natursteinplatten zu sehen sind, ist alles ein wenig verschoben.
Das jedoch bleibt nicht ohne Folgen für das Original. So erscheint es auf einmal übertrieben in seinem strengen Charakter, gar als verstiegene Pose, die als solche durch die Wiederholung entlarvt wird. Nicht diese ist die Farce, sondern schon das Vorbild – der erste Auftritt des Sujets – erscheint auf einmal als solche. In der Re-produktion wird also auch von G.R.A.M. auf das Potenzial des Originals rekurriert, allerdings auf eine Art und Weise, die gerade fragwürdige Aspekte offenbart und deutlich macht, wie leicht es, jenseits eines Kontexts garantierter Wertschätzung, ins Absurde kippen kann. Auffällig bei Werken der klassischen Moderne sei „die überempfindlichkeit und der hang zum pathetischen“, ja „ein gehöriges maß an eitelkeit“, bemerken die Protagonisten von G.R.A.M. und wenden sich dagegen, dass Strömungen wie der Wiener Aktionismus oder ein Künstler wie Joseph Beuys zu einem „mythos“ erklärt werden.2
Wie ungewöhnlich die Annäherung von G.R.A.M. an ihre Vorbilder ist, wird gerade an der Beuys-Arbeit deutlich, die nämlich einige Jahre zuvor bereits von Elaine Sturtevant re-produziert wurde. Sie wiederholt dabei gerade den entschlossenen Habitus des selbstbewussten Künstlers, und so sehr sie auch die männliche Dominanz des Kunstbetriebs kritisieren mag, indem sie sich als Frau dem virilen Geniekult demonstrativ mimikryartig anpasst und die Position von Beuys einnimmt, so wenig stellt sie doch die übliche Wahrnehmung von Kunst selbst infrage. So viel Reflexion und Skeptizismus bringen erst die Künstler von G.R.A.M. auf, deren Wiederholungen damit auch als Entlastungen aufzufassen sind. Wer, angestrengt vom weihevollen Umgang mit Kunst in ‚white cubes‘ und eingeschüchtert von den vielen Formen der Devotion und Ehrfurcht, endlich einmal über ein Werk – wenn auch nur in seiner Re-produktion – lachen kann, wird das als befreiend erleben: Ein emotionaler Druck, der sonst in Aggression umschlagen könnte, darf so ähnlich abreagiert werden wie, bezogen auf die Politik, im Kabarett und, für die Fron des Alltags, in der Komödie oder eben dem Slapstick.
Man mag sich wundern, dass ein so autoritäres System wie das der Kunst so lange ohne derartige Formen der Entlastung ausgekommen ist. Zwar gibt es in der Fluxus-Bewegung und bei so verschiedenen Künstlern wie Ben Vautier, Martin Kippenberger und Timm Ulrichs etliche Versuche, mit Formen von Witz, Schalk und Süffisanz gegen das Pathos der Kunst vorzugehen, und Jörg Heiser konnte überzeugend zeigen, dass viele Werke der Klassischen Moderne – von Künstlern wie Marcel Duchamp, Donald Judd und Ed Ruscha – schon in sich selbst eine komische, slapstickartige Dimension besitzen, die freilich erst eigens als solche freigelegt werden muss.3 Doch so sehr all diese Ansätze als Alternativen zur herrschenden Kunstpraxis fungieren mögen, so sehr bleiben sie auch für sich und schaffen es nicht, den grundsätzlich ernsten, von hohen Erwartungen geprägten Umgang mit Kunst zu relativieren. Dazu müssen erst die Werke, die mit besonders starken Ambitionen beladen sind, direkt ins Ziel genommen und persifliert werden. Und so ist vielleicht nichts geeigneter als eine karikaturenhafte Re-produktion, um infektiös zu wirken und einem breiteren Kunstpublikum zu verdeutlichen, wie monströs – und damit im Grunde auch etwas lächerlich – zahlreiche Gesten und Formen der Kunst sind.
Dass Künstler wie Jackson Pollock oder die Wiener Aktionisten, denen alle Attribute von Ausnahmezustand fest eingeschrieben sind und deren heroische Verausgabungen üblicherweise einschüchtern, also auf einmal zu Sujets geraten, über die man lachen – und über die man sich damit erheben – kann, relativiert ihre Autorität des Kanonischen. Nachdem sie wieder und wieder mit Bedeutung befrachtet und in jedem Band zur Geschichte der modernen Kunst gewürdigt wurden, betätigt sich G.R.A.M. somit als Entsorgungsservice: Wo Pathos war, wird ein lockerer Umgang möglich. Daher darf man die Verballhornungen und Dekonstruktionen, die G.R.A.M. betreibt, auch nicht nur als aggressiven Akt verstehen. Vielmehr eröffnet ein freieres, entspanntes Verhältnis gegenüber den Werken und Künstlern, die sonst nur mit vollem Respekt betrachtet werden, auch neue Perspektiven der Deutung. Im Idealfall könnte man die Originale sowie deren Nachstellungen sogar gleichzeitig anschauen und gegeneinander abwägen. Als Teile eines Pendants, das dasselbe Sujet in zwei Stillagen zeigt, könnten die beiden Bilder sich jeweils kommentieren und relativieren. So wäre man vor Mythisierungen genauso geschützt wie vor totalen Banalisierungen.
Aber G.R.A.M. reinszeniert nicht nur Beispiele aus der Kunst, sondern nimmt sich ebenso Ikonen des Bildjournalismus vor. Das Foto, das den erschossenen Benno Ohnesorg zeigt, fungiert dann ebenso als Vorbild wie der Filmstill, der die Hinrichtung eines Vietcong durch den Polizeichef von Saigon dokumentiert. Gerade diese beiden Bilder mobilisierten die Studenten von 1968, wurde in ihnen die Brutalität des Imperialismus doch besonders plakativ sichtbar. Aber auch hier sehen die Szenen in der Nachstellung durch G.R.A.M. eher wie Aufnahmen aus einem Slapstick-Film aus. Der Statist, der den Vietcong darstellt, ist nicht etwa von Todesangst gezeichnet, sondern macht eher eine Miene, als würde ihm gleich ein bisschen Farbe ins Gesicht gespritzt.
Agieren die Künstler von G.R.A.M. aber nicht despektierlich oder gar geschmacklos, wenn sie Fotos persiflieren, die gewaltsam zu Tode gekommene Menschen zeigen? Wer diese Frage stellt, sollte jedoch auch erwägen, ob die Nachstellungen nicht vielmehr dem Wunsch entsprungen sind, Bilder, die zu mächtig zu werden drohen, durch eine variierende Wiederholung zu entkräften. So oft schon wurden die berühmten Fotos gedruckt und verbreitet, dass sie kaum noch eigens wahrgenommen, sondern eher wie Verkehrszeichen oder Signale aufgefasst werden, die (in diesem Fall) vor der Polizei warnen. Es sind Bilder, die gleichsam nur mit erhobenem Zeigefinger zum Einsatz kommen und mit denen ähnlich auf Vereinnahmung des Rezipienten gesetzt wird wie bei Werken der Avantgarde-Kunst. Da G.R.A.M. aber jedem Gestus des Unbedingten skeptisch gegenübersteht, betätigen die Künstler sich mit den Nachstellungen als Instanz einer Gewaltenkontrolle. Wer sich als Betrachter aber erst einmal über Details einer Reinszenierung von G.R.A.M. gewundert oder amüsiert hat, wird zugleich eine Distanz zum Original einnehmen können und es vor allem – wieder – als Bild und nicht nur als einen Appell empfinden, der ganz bestimmte Gefühle und Reaktionen vorgibt.
Innerhalb des Spektrums an Möglichkeiten, die das Wiederholen bietet, hat G.R.A.M. sich für eine Spielart entschieden, die dem Original nicht huldigt und es auch nicht einfach vergegenwärtigt, sondern es relativiert. Man könnte diese Strategie auch als Umkehrung des Prinzips der ‚aemulatio‘ ansehen, geht es hier doch nicht darum, das Vorbild in der Nachahmung zu überbieten, sondern es durch diese zu schwächen. Darin spiegelt sich die Erfahrung, dass Originale nach wie vor einen höheren Status als alles andere genießen. Formen des Nachahmens und Reinszenierens wird aber erst dann vorurteilsfrei begegnet werden, wenn die Sonderstellung der Originale überwunden ist, sie also nicht mehr auratisiert wahrgenommen werden. Die entzaubernden Re-produktionen von G.R.A.M. bereiten somit anderen – künftigen – Arten des Re-produzierens schon einmal den Boden.
Hände schütteln, schaufeln, küssen –
Zur künstlerischen Arbeit von G.R.A.M.
Anton Holzer
Ihre Blicke sind starr, die Gesichter ernst. Ein verstörendes Gruppenfoto. In Dreierreihen haben die Männer in einem weiß getünchten Innenraum Aufstellung genommen, jeder von ihnen gut sichtbar ist. Verstörend ist die Aufnahme, denn es handelt sich um keine freiwillige Zusammenkunft. Die Männer wurden vor die Kamera gezwungen und stehen am Pranger. Wenige Tage nach dem Putschversuch in der Türkei am 15./16. Juli 2016 wurden die Schuldigen der Öffentlichkeit präsentiert. Es handelt sich um hohe Militärs, in der ersten Reihe ist Akin Öztürk, der Chef der Luftwaffe, zu sehen. In gestreiftem Polohemd, als sei er gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt. Auch viele andere Männer tragen Freizeithemden und nicht die Uniformen, in denen sie verhaftet wurden. Einige der Männer weisen deutlich sichtbare Spuren von Misshandlungen auf. Sind die Wunden im Gesicht die Folge von Schlägen, haben sich die Männer bei ihrer Gefangennahme gewehrt? Das rechte Ohr von Öztürk ist in eine weiße Bandage gehüllt. Was geschah mit diesen Männern in den Stunden nach ihrer Festnahme? weiterlesen
Zwei Tage nach dem Putschversuch ging diese Aufnahme um die Welt, sie war in zahlreichen TV-Nachrichtensendungen, Zeitungen, Zeitschriften und im Internet zu sehen. „Der Coup der tadellosen Männer“ titelte eine Zeitung zum Bild. Und eben diese hintergründig-schillernde Wortfolge hat die Künstlergruppe G.R.A.M. als Titel für ihre jüngste Präsentation in der Wiener Christine König Galerie aufgegriffen, in der auch die Szene aus der Türkei eine Rolle spielt. Schon seit Jahren beschäftigt sich die Gruppe in ihren performativen Inszenierungen mit Bildern aus der Presse, die sie in Form ihrer Reenactments einer vielschichtigen künstlerischen Befragung unterzieht. In ihrer Serie „Paparazzi“ (1997–2009) hatte G.R.A.M. den medialen Starkult und den voyeuristischen Blick der Medien thematisiert. In der ebenfalls langjährigen Performance-Serie „Reenactments“ wandte sich die Gruppe seit 1998 aus immer neuen Blickwinkeln ikonischen Bildern aus Politik, Geschichte und Kunst zu. In ihren jüngsten Reenactments setzt G.R.A.M. diese Strategie der subtil-subversiven Befragung von Medienbildern fort.
Nach Zeitungsbildern
Das Ausgangsmaterial der neuen Arbeit sind flüchtige, auf den ersten Blick unscheinbar anmutende Zeitungsbilder. Martin Behr und Günther Holler-Schuster, die beiden Mitglieder von G.R.A.M., haben im Laufe der Jahre eine ansehnliche Sammlung von Presseaufnahmen zusammengetragen. „Manche Bilder“, so erzählen sie, „sprechen uns an, nicht, weil sie wichtige Augenblicke zeigen, sondern weil irgendetwas in ihrer Inszenierung, ihrer Struktur, in ihrer Dynamik besonders ist.“ Die Auswahl folgt also einem offenen, assoziativen Prozess, manchmal sind es formale Aspekte, die ein Bild herausheben, manchmal eigentümliche Interaktionen zwischen den Porträtierten oder ein Detail, eine Geste. Und gelegentlich ist es auch ein Bildtext, der hängen bleibt. Ob das Bild in einer regional erscheinenden oder in einer internationalen Zeitung gedruckt wurde, ob in einem deutschsprachigen oder ausländischen Medium, ob die Druckqualität gut oder mäßig ist, ob das abgebildete Ereignis relevant oder weniger wichtig ist, all das spielt kaum eine Rolle bei der Auswahl. Fündig werden die Künstler überall, im Kaffeehaus und im Wartezimmer des Friseurs oder Zahnarztes, bei Zugfahrten und am Flughafen, daheim und unterwegs. Der Prozess des Bildersammelns ist ein scheinbar beiläufiger. „Wir schneiden die Bilder aus und legen sie auf die Seite, zu einem Haufen anderer Bilder, die wir schon gesammelt haben. Dort bleiben sie liegen. Später, oft Monate, oft Jahre nach ihrer Veröffentlichung, wird diese Bildersammlung neu gesichtet.“
Irgendwann wird diese Bilderkiste wieder geleert und es wird eine Auswahl getroffen. Nun beginnt die intensive Arbeit am Reenactment. Die Szenen aus den Zeitungen werden von den Künstlern, teils unter größerem oder kleinerem inszenatorischen Aufwand nachgestellt und ein zweites Mal fotografisch festgehalten – neuerlich von professionellen Pressefotografen. In den ersten Jahren stammten die Aufnahmen von Gert Heide (bzw. Clemens Nestroy für Foto Heide), seit 2015 fotografiert auch Matthias Cremer Szenen.
In den jüngsten Arbeiten häufen sich, wie bereits schon in ihren früheren Werken, Politikerszenen. Da taucht etwa der amerikanische Außenminister John Kerry auf: während einer Begegnung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau oder allein am Telefon, umgeben von Bodyguards während der Iran-Atomverhandlungen in Wien. Oder Barack Obama, zu Hause, im Kreise seiner Familie, mit nackten Füßen, beim Fernsehen. Am Tisch: Ein Teller mit Chips. Oder Papst Franziskus, der am Flughafen auf seinen Vorgänger Benedikt trifft und ihn umarmt. Oder Jean-Claude Juncker, den EU-Präsidenten, der anderer Amtsträger mit Kuss begrüßt. Und immer wieder begegnen uns Männergruppen von Politikern (gelegentlich mit einer einzelnen Dame, häufig ist es dies die deutsche Kanzlerin Angela Merkel) in diversen Formationen: beim gemeinsamen Schaufeln für die Kamera (Stichwort: Wirtschaftsaufschwung). Oder beim traditionellen „Familienfoto“ der Staatschefs: Sekunden vor der Aufnahme, wenn noch rasch Körperhaltungen, Frisuren und Krawattenknöpfe adjustiert werden. Im Moment der Aufnahme, wenn die Porträtierten auf der Bühne gewinnend lächeln und für einen Augenblick erstarren. Oder unmittelbar nach der Aufnahme, wenn die Politiker gelöst davon schreiten, um sich wichtigeren Aufgaben zuzuwenden. Zu sehen sind aber auch Geschichten, die abseits und im Schatten der Politprominenz spielen: etwa südkoreanische Soldaten bei Ballettübungen, Bodyguards, die verloren im Regen stehen und viele andere Szenen.
Wenn wir all diese Szenen auf den Bühnen der großen und der kleinen regionalen Politik Revue passieren lassen, fällt auf: Das politische Personal der Pressebilder ist überwiegend männlich. Unter die vielen Anzugträger mischen sich höchst selten Frauen. „Der Coup der tadellosen Männer“ ist also nicht nur ein Zitat, das auf ein bestimmtes Pressefoto nach dem Putschversuch in der Türkei gemünzt ist, sondern wohl auch – ein wenig augenzwinkernd – auf die breite Riege der „tadellosen Männer“, die Tag für Tag, Woche für Woche vor den Pressekameras Aufstellung nehmen. In ihren Reenactments beschäftigen sich die Künstler immer wieder mit der Choreografie der Macht. Akribisch buchstabieren sie das gestische Vokabular der Politik durch, präzise beobachten sie die Körpersprache der Politiker, nicht um diese zu desavouieren, sondern um das Gerüst der öffentlichen und der veröffentlichten Posen freizulegen.
Szenische Bearbeitungen
G.R.A.M. greift das bildliche Rohmaterial der munter plätschernden Bildberichterstattung in den Massenmedien auf und bringt mit künstlerischen Mitteln der Wiederholung und Verrückung Unruhe in die Welt der Bilder. Die Reenactments leben von der zwangsläufigen und durchaus gewollten Differenz zwischen Vorlage und Nachstellung. Da wäre etwa die Kleidung, die nur andeutungsweise zitiert, aber nicht passgenau nachgeahmt wird. Denn G.R.A.M. arbeitet bei seinen Inszenierungen ganz bewusst mit den Mitteln der Verdichtung und der Zuspitzung. Massenszenen werden oft personell ausgedünnt und szenisch verdichtet. Die Interieurs werden oft nur angedeutet. Der Effekt dieser szenischen Be- und Überarbeitung ist, dass in der performativen Wiederholung die Plastizität und oft auch Skurrilität mancher Gesten, Posen und Interaktionen deutlicher und plastischer hervortreten als in den Bildvorlagen. Die Körperlichkeit der Porträtierten erscheint in den Reenactments oft besonders intensiv und ungehemmt und manchmal geradezu energetisch hoch aufgeladen. Das verleiht den neuen Bildern einen suggestiven Sog, eine faszinierende Mehrdeutigkeit, die die Betrachter in den Bann schlägt. Man blickt unvermittelt genauer hin, stutzt, bleibt bei einem merkwürdigen Detail hängen. Und nicht immer wird man schlau aus dem Ganzen.
Denn das, was den Zeitungsbildern Sinn verleiht, ihre Verankerung im medialen Tableau, verweigert G.R.A.M. ganz bewusst. Ihre Reenactments nach Zeitungsbildern scheinen frei in Zeit und Raum zu schweben. Wir erfahren weder, aus welchen Zeitungen die Vorlagen stammen, an welchem Tag und in welchem Jahr sie aufgenommen oder gedruckt wurden und in welchem Kontext sie ursprünglich erschienen sind. Auch die Bildtexte – häufig Ausschnitte aus den originalen Beschriftungen der Bilder – tragen oft nicht allzu viel zur Aufhellung bei. Die Künstlergruppe G.R.A.M. setzt den beruhigenden Bildern der Zeitung Irritation entgegen. Nicht, indem sie, wie das oft in kritischer Absicht geschieht, die Pressebilder als lügenhaft, propagandistisch oder falsch bezeichnet, sondern indem sie diese sehr ernst, geradezu wörtlich nimmt. So wörtlich, dass sie szenisch verdoppelt. Und genau diese Verdoppelung ist es, die Unsicherheit schafft und damit Raum für Fragen eröffnet.
G.R.A.M. erschafft eine Bildwelt, die bekannt erscheint und die doch fremd anmutet. Wir glauben manche der Politikergesten in den nachgestellten Bildern zu kennen. Und doch erschließen sich uns diese Szenen nicht ganz. Denn die Bilder von G.R.A.M. sind nicht Fortschreibungen der visuellen Medienberichterstattung, sondern viel eher subversive Kommentare dazu. Sie unterlaufen den Sinn, den Medien erzeugen, mit subtilen Mitteln. Die Zeitung ist ein Medium, das ebenfalls auf Wiederholung setzt: jeden Tag erscheint eine neue Ausgabe, deren Struktur uns vertraut erscheint: beginnend mit der grafisch wiedererkennbaren Titelseite bis hin zum immer wiederkehrenden thematischen Aufbau: Weltpolitik, Innenpolitik, Sport, Kultur, Gesellschaft usw. Auch die Zeitungsbilder werden in diese immer wiederkehrenden Nachrichtenfolgen integriert. Sie ergeben Sinn, weil sie Teil einer ritualisierten Berichterstattung sind, weil sie beitragen, die großen und kleinen Ereignisse der Welt einzuordnen, sichtbar und verstehbar zu machen.
Die Bilder in der Zeitung sind, so neu und unbekannt und oft auch überraschend ihre Sujets auch Tag für Tag sein mögen, Orientierungsmarken in einer unübersichtlich gewordenen Welt. Auch wenn sie Krieg, Aufruhr und Terror zeigen, haben sie doch im medialen Gespann der Zeitung etwas Beruhigendes. Sie weisen den Dingen, die „da draußen“ geschehen, einen Platz zu. Der Krieg findet in Syrien und im Irak statt und vielleicht noch in der Ukraine, die Weltpolitik spannt sich zwischen Washington, Moskau, Peking und vielleicht noch Berlin auf, die Protagonisten, die auf der Bühne der politischen Entscheidungen erscheinen, haben Namen und Gesichter. Sie tauchen immer wieder auf, sie treffen sich in Konferenzräumen, verhandeln hinter verschlossenen Türen und präsentieren die Ergebnisse bei Pressekonferenzen. Wir sehen diese Bilder, ohne genau hinzusehen und glauben zu verstehen.
Verlangsamung und Zoom
Die Reenactments von G.R.A.M. unterlaufen auf subversive Weise die eingefahrenen Bahnen dieser täglichen Bildberichterstattung. Denn sie blenden, wie beschrieben, die verankernden, stabilisierenden Kontexte der Zeitung radikal aus. Dadurch tritt das Bild von einem Zustand der Sicherheit und des eingegrenzten Sinns über in ein schwankendes Fluidum. Wenn den Bildern plötzlich der einordnende Rahmen abhandenkommt, stehen sie nicht mehr für etwas, das wir bereits wissen und kennen, sondern sie beginnen eine neue, offene Geschichte zu erzählen. Die nachgestellten Szenen muten, auch wenn wir in machen Fällen die Protagonisten erkennen, seltsam zeit- und ortlos an. Während Zeitungsbilder in der Regel Ereignisse zur Anschauung bringen, die vor kurzem an einem bestimmten Ort geschahen, schweben die Bilder von G.R.A.M. in einer Sphäre der Vieldeutigkeit.
Es ist diese Vieldeutigkeit, diese Unsicherheit, die einlädt, genauer hinzusehen. Während die Massenmedien die Bilder filmartig und in rascher Folge an uns vorbeiziehen lassen, weil Tag für Tag folgen neue Bilderserien aufeinander folgen, die wir oft nur einen Augenblick festhalten, um sie dann wie am Smartphone gewissermaßen weiterzuwischen, verlangsamt G.R.A.M. den Akt des Betrachtens auf radikale Weise. Nicht nur, weil die Szenen herausgeschnitten sind aus dem Fluss der Bilder, sondern auch, weil sie länger stehen bleiben: in der Ausstellung, im Katalog – letztlich in unseren Köpfen. Diese Verlangsamung, dieses zoomartige Fokussieren, schafft Platz für Fragen: Was genau sehe ich da? Woher kommen diese Bilder, wie sind sie zustande gekommen. Und darüber hinaus: Welche Rolle spielen die Bilder in den Medien? Illustrieren sie, was in den Spalten daneben mit Worten gesagt wird? Oder zeigen sie Facetten der Realität, die der Text nicht darzustellen vermag? Wie stehen sie zur Wirklichkeit? Sind sie realer, authentischer als schriftliche Berichte? Und schließlich: welche Geschichten erzählen die Szenen, wenn wir sie loslösen von der schnelllebigen Welt der täglichen Medienereignisse?
Die Reenactments von G.R.A.M. beginnen, eben weil sie gegenüber der Vorlage ein wenig verrückt und verschoben wurden, weil sie als Bilder kleine oder größere Risse bekommen haben, ein Eigenleben zu führen. Erst nachdem der ursprüngliche und angeblich so festgefügte Sinn der Bilder brüchig geworden ist, wird es spannend. Dann merken wir plötzlich, welch gewaltigen unhinterfragten Kredit die Medienbilder angehäuft haben. Sie gelten als wahr und authentisch. Denn, so heißt es, sie bilden Ereignisse ab, die sich vor der Kamera zugetragen haben. Aber stimmt das denn auch? Schälen die von G.R.A.M. nachgestellten Szenen nicht deutlich die Inszenierung und die Rhetorik der Medienbilder heraus? Ist es oft nicht vielmehr so, dass die Pressebilder einen Sachverhalt erst herstellen, statt ihn abzubilden? Am Beispiel der ritualisierten Politikerbegegnungen, die ausschließlich für die Presse arrangiert werden: authentisch im herkömmlichen Sinn sind diese Szenen nicht. Sie sind vielmehr ein – ernst gemeintes – Spiel mit bausteinartigen Ritualen: Hände schütteln, gemeinsam schaufeln, einander küssen, lächeln, stehen, gehen.
G.R.A.M. hätte leichtes Spiel, dieses Inventar von Konventionen, mit ein paar Griffen ins Lächerliche zu ziehen und eine angebliche Wahrheit hinter diesen hohlen Bildern zu behaupten. Aber genau das ist nicht das Anliegen der Künstlergruppe. Statt mit erhobenem Zeigefinger zu operieren, agiert G.R.A.M. mit großem Ernst, aber auch mit feinem Humor. Die Bildvorlagen, die sie zu ihren eigenen Schöpfungen anregen, verkommen in ihrer künstlerischen Arbeit nicht zu Karikaturen. Die Zeitungsbilder werden nicht besserwisserisch entlarvt, als falsch und unwahr an den Pranger gestellt. Sie werden vielmehr angehalten, um in einem anderen Setting genauer, neu und anders betrachtet zu werden. Diese Strategie des genaueren Hinsehens, des Herausarbeitens von Wirklichkeitsmustern, mutet ein wenig wie angewandte Ethnografie an, freilich ausgeführt mit künstlerischen Mitteln. Die Gruppe G.R.A.M. ist aber kein wissenschaftliches Kollektiv. Für sie gibt es kein endgültiges, unumstößliches Ergebnis. Was jeder und jede in der neuen bildlichen Versuchsanordnung sieht und entdeckt, bleibt offen. Herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext, erhalten die Bilder von G.R.A.M. einen neuen Sinn. Sie erzählen, je nach Reihung, so wie im Comic, eine jeweils andere Geschichte.
Und noch eins unterscheidet den Bilderkosmos von G.R.A.M. von der ernsten Wissenschaft: der Humor. Es ist ein Humor, der nichts mit schenkelklopfenden Lachsalven zu tun hat, nichts mit einer plumpen Zufriedenheit, stets auf der sicheren und besseren Seite zu stehen. Der Humor, der den nachgestellten Szenen innewohnt, ergibt sich aus der subtil inszenierten Differenz zwischen der angeblichen Wirklichkeit (dem Zeitungsfoto) und der nachinszenierten Möglichkeit (dem Reenactment), das einen schwankenden Sinn erzeugt und oft sogar beide Bilder in Zweifel zieht. Humor entsteht aber auch aus listigen Zuspitzung, mit der G.R.A.M. das Skurrile aus dem scheinbar Gewöhnlichen herausschälen. Plötzlich mutet eine Haltung, die im Fluss der Nachrichtenbilder allgegenwärtig ist, merkwürdig und grotesk an: Ein Mann – das Gewehr am Rücken – steckt seinen Kopf in eine große Kiste. Es ist kein Imker, sondern ein Wähler, der bei der Parlamentswahl in Israel seine Stimme abgibt. Ab und zu mischt sich in die Groteske das Abgründige, dann etwa, wenn, wie im Fall der Anprangerung der türkischen Putsch-Generäle, der reale und blutige Hintergrund der Szene in der Nachstellung hervorleuchtet.
Zurück zur Populärkultur
Bildern aus Massenmedien haftet oft etwas Minderwertiges, Flüchtiges, Billiges an. Sie tauchen für einen Augenblick auf, um sogleich wieder in der Flut gleichartiger Bilder zu verschwinden. Sie haben den Ruf temporärer Bilder, gelten als populäre Massenprodukte mit kurzer Halbwertszeit. Diese Abwertung massenmedialer Bilder ist nicht neu, sie hat vielmehr eine lange Vorgeschichte. Fotografien in Zeitungen und Zeitschriften waren, als sie seit der Wende zum 20. Jahrhundert in auflagenstarken Zeitungen erschienen, sehr lange mit dem billigen Image der Boulevardpresse verknüpft. Die seriöse Tagespresse verzichtete jahrzehntelang auf die Bebilderung. Inzwischen hat sich diese Trennung zwischen bebilderten und unbebilderten Medien zwar längst aufgelöst. Bilder sind schon seit langem ein fester Bestandteil des global verfügbaren Mediensystems, digitale und analoge Medien sind eng miteinander verschränkt. Sie sind allgegenwärtig. Und dennoch: immer noch schwingt, wenn sie zum Thema gemacht werden, eine gewisse Skepsis mit, die tief verankert ist.
Der Massencharakter von Zeitungsbildern in populären Medien, ihr Hang zum Voyeurismus, ihr mehr oder weniger ausgeprägter Boulevardcharakter, all das schreckt G.R.A.M. nicht ab, im Gegenteil: Die billigen Bildmassenmedien, von denen sich die „seröse“ Öffentlichkeit oft naserümpfend distanziert, halten für die Künstlergruppe ein faszinierendes Reservoir szenischer Vorlagen bereit. Die skandalträchtigen Nacktszenen von Prinz Harry, die das britische Boulevardblatt The Sun auf der Titelseite brachte, sind in der Reinszenierung von G.R.A.M. zu skurrilen Körperübungen in der Dusche geworden. Der Skandal, den die Zeitung mit Hilfe übergroßer Balkenlettern erzeugte, löst sich der Nachstellung mit einem Mal auf. Meist bilden Fotos die szenischen Anregungen für die Reenactments, gelegentlich sind es aber auch populäre Plakatmotive, die den Künstlern eine Bühne für ihre Bearbeitung bietet. Günther Holler-Schuster und Martin Behr haben sich etwa in ein grell gemaltes Herz-Schmerz-Plakat eines türkischen Remakes von Star Wars geschmuggelt und ihren Künstlernamen in den aufgedruckten Filmcredits verankert. Erst auf den zweiten Blick ist die Dramatik dieser Szene gebrochen, in der subversiven Nachstellung löst sich das Pathos auf.
Der breite Fluss der Bilderwelt, den die Medienindustrie tagtäglich heranspült, wird in der Bearbeitung von G.R.A.M. immer aufs Neue zum Rohmaterial für die weitere Bearbeitung. Dabei wird die populärkulturelle Herkunft der Vorlagen nicht verschämt ausgeblendet. Im Gegenteil: die populäre Welt der Zeitungen, aus denen die Bilder stammen, ist in der Arbeit stets als Referenzrahmen präsent. Manchmal schwingt das originale Zeitungsfoto geradezu demonstrativ mit, dann etwa, wenn es sich um ikonische Szene handelt, die jeder kennt. Aber auch bei den anderen Reenactments wird die Spur zum Massenmedium nicht getilgt, sondern aktiv aufgegriffen. Für die jüngste Präsentation wurden die fotografisch nachgestellten Szenen wieder auf Zeitungspapier nachgedruckt. Diese sind – neben Fotos, Plakaten und fotografisch bedruckten Wandteppichen – als Ausstellungsstücke zu sehen. Damit ziehen die Bilder eine Schleife von der Zeitung zurück zur Zeitung. Klar ist: Auf diesem Weg verändern sich die Bilder, aber auch unsere Wahrnehmung von ihnen. Die Verheißung, durch genaue Betrachtung Gewissheit zu erlangen, erfüllen sie nicht. Vielmehr lässt der „Coup der tadellosen Männer“ uns fragend zurück. Oder ratlos, oder erstaunt. Und oft auch schmunzelnd.


















